Grenzwertig
In Altwarp, dem östlichsten Ostseehafen Deutschlands, vertreten wir uns die Füße zur Wanderdüne. Beim anschließenden Dorfrundgang erfahren wir Historisches über den sowjetischen Friedhof und, dass Honeckers Dienstboot zum schwimmenden Fischlokal umfunktioniert wurde. Für zwei Stunden liegen wir vis a vis und atmen den sozialistischen Mief vergangener Tage ein. Bei einem ausgiebigen Klönschnack mit Lübecker Dauercampern staunen wir über weitere interessante Details aus dieser geschichtsträchtigen Region.
Das polnische Gegenstück Neuwarp ist nur einen Möwenschiss davon entfernt. Nach einer halben Stunde sind wir mit polnischer Gastlandflagge am gegenüberliegenden Ufer fest vertäut. Bin neugierig, was sich hier seit unserem letzten Besuch vor elf Jahren verändert hat.
Der marode Hafen wirkt nach wie vor nicht gerade einladend. Doch die Häuser des Dorfes haben Farbe, neue Fenster und Dächer erhalten. Reichlich EU-Mittel sind in eine ganz neue, überdimensionierte Promenade geflossen. Diverse einladende Lokale und andere Neubauten vermitteln Aufbruchstimmung in dieser abgelegenen Gegend. Zwischen der Moderne weisen abbruchreife Bauten auf eine ärmliche Vergangenheit hin. Die Brötchen, am nächsten Morgen, kaufe ich in einem kleinen Gemischtwarenladen, der wohl schon vor 30 Jahren genauso eingerichtet war. Die Brötchen schmecken gut, und darauf kommt‘s an!
Auf die Veränderungen in Wollin bin ich ebenfalls gespannt, wo wir einst vor der riesigen Kathedrale längsseits lagen. Doch ein angekündigter starker Westwind macht uns einen Strich durch die Rechnung. Dann doch lieber direkt nach Swinemünde.
Die vielen Stellnetze und Untiefen bereiten uns keine Probleme. Sind auf der Hut. Am Ende des Kaiserfahrtkanals dann das Großstadtrevier, welch krasser Gegensatz zur tiefen Provinz. Das lang gestreckte Hafenbecken ist nur spärlich gefüllt. Reger Fährbetrieb von und nach Schweden und auf der Promenade Jahrmarktsstimmung. Bin leicht irritiert... Auf den Rädern halten wir ein wenig Distanz. Unsere abendliche Walkingrunde führt über den endlosen, feinsandigen Strand.
Vorbei an Fähren und Frachtern verlassen wir Polen über die offene Ostsee, entlang Usedoms Seebädern Ahlbeck, Heringsdorf und Zinnowitz. Tief hängende, schwarze Wolken lassen nichts Gutes erahnen. Vorsorglich trage ich Ölzeug statt Sonnencreme auf. Doch am Horizont, oh Wunder, ein freundliches Blau setzt sich durch. So brate ich bei der flotten Überfahrt auf der 40-Meilen-Etappe nach Thiessow in Öl und bekomme obendrein noch eine rote Nase.